Senioren-Union im Textilwerk Bocholt
Wie entwickelte sich die Baumwollindustrie im Münsterland und welche Menschen waren und sind bis heute mit ihren Entscheidungen für einen hochproduktiven Industriezweig verantwortlich? Die grandiosen Produktionsräume der historischen Baumwollspinnerei von 1907 bieten den passenden Ort, um aus der Perspektive der Textilunternehmer das geschäftliche Handeln, das innerbetriebliche Agieren und auch die private Seite der Fabrikantenfamilien kennen zu lernen. Der Rundgang führte dann zu den Unternehmern und den im gleichen Raum gezeigten Spinnmaschinen und Rundstrickmaschinen. Das LWL-Industriemuseum besitzt die größte Textilmaschinensammlung Europas. Einige davon wurden in den vergangenen Jahren aufwändig restauriert und sind jetzt in der neuen Ausstellung zu sehen. Die bis zu knapp 20 Meter langen Maschinen – vom Öffnerzug aus dem Jahr 1910 bis zur OE-Feinspinnmaschine von 1986 – lassen die Herstellung von Baumwollgarnen nachvollziehen.
Medienterminals zeigten zudem historische Aufnahmen und erklärten die Funktionsweise der Spinnmaschinen. Einige dieser Maschinen wurden der Besuchergruppe aus Vreden von einem Spinnereimeister vorgeführt.
Die teilweise laufenden Maschinen machen ein Stück Textilgeschichte der Region lebendig. Aspekte der Geschichte des Spinnereigebäudes und der Blick aus der Obergeschoss über die umliegenden Industrieflächen schließen den Rundgang ab. Ausgestellt wird beispielsweise ein Schreibtisch des Textilunternehmers Carl Herding, den dieser Anfang des 20. Jahrhunderts gekauft und über viele Jahrzehnte hinweg benutzte. Der Kauf eines gebraucht gekauften Konzertflügels, ein mittleres Modell eines Montblanc-Füllfederhalters, Unternehmerporträts in Öl - alles Exponate, die darauf hinweisen, das die "Macher" in der Region zwar auf globalen Märkten agierten, in der Heimat jedoch bescheiden lebten. An einem modernen Medientisch kommen 14 Unternehmerpersönlichkeiten zu Wort. Sie berichten über die Motivation ihres Handelns, über Tradition, Familie und modernes Wirtschaften. Mehr als 500 Exponate bekommen die Besucher auf 1300 Quadratmetern zu sehen. In ihrer Komposition verdeutlichen sie, dass sich die Handlungsfelder der Textilunternehmer in Westfalen – und speziell im Westmünsterland – in den vergangenen 150 Jahren kaum verändert haben.
Im Erdgeschoss der Spinnerei befindet sich ein "Parcours de la Mode". In einer 23 Meter langen Vitrine, die als Laufsteg aufgebaut ist, nahmen historische Kleidungsstücke (Foto) und Schuhe sowie textile Musterbücher die Besucher mit auf eine farbenfrohe Reise durch mehr als 100 Jahre Modetrends. Das älteste Stück, ein schwarzes Tournüren-Kleid, stammt aus dem Jahr 1885. Dieser Teil der neuen Ausstellung wird kontinuierlich sein Gesicht wandeln: Aus dem großen Fundus der Sammlung werden immer wieder neue Stücke den Laufsteg beleben und zeigen, wie vielfältig die Welt der Mode war. Nach der fast zweistündigen Führung konnten sich die Besucher im Cafe Schiffchen bei Kaffee und Kuchen stärken.